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"Warum gibt es keine Demos gegen Saddam?" - Michel Friedman sieht Deutschland auf einem Irrweg
STERN  Heft 06, 30.1.2003

Kritik an dummen Fragen
und dummen Antworten

Auch Michel Friedman auf dem Kriegspfad

"Krieg als letztes Mittel" avanciert zur  beliebtesten Rechtfertigungsformel für  Kriege.  (MSR)

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Sehr geehrter Herr Dr. Friedman,

In Heft 6 des Magazins "Stern" stellten Sie der Friedensbewegung die Frage, warum nicht gegen Saddam Hussein protestiert werde. 

Es ist jedem unbenommen, gegen Hussein zu demonstrieren oder dazu aufzurufen. Aber wenn ich zu einer solchen Demonstration nicht komme, dann aus einfachem Grund:

Weil wir uns in der Ablehnung der Hussein-Diktatur einig sind. Gegen Hussein zu demonstrieren wäre Eulen nach Athen tragen und hat mit dem Sinn von politischen Demonstrationen nichts tun. Umstritten ist allerdings, ob Husseins Gefährlichkeit einen Krieg gegen den Irak rechtfertigt.

Wenn Sie sagen, dass "schließlich Saddam Hussein die Ursache des Konflikts" sei, dann vergessen Sie bitte nicht gegen seine Lieferanten (z.B. aus Deutschland) und früheren Förderer (z.B. Rumsfeld) zu demonstrieren. Dann bin auch ich wieder dabei, damit sich die Helfer von gestern heute kein (alleiniges) Richteramt anmaßen.

Dass Ihnen "speiübel wird, wenn in Europa US-Flaggen verbrannt werden" haben Sie nebst anderem mit mir gemeinsam.  Aber solche Schändlichkeiten sind nicht für die Friedensbewegung typisch, sondern für Gruppen, deren binäres Freund-Feind-Denken demjenigen des Herrn Bush entspricht, der gegen alle Differenziertheit verkündet, dass mit den Terroristen sei, wer nicht zu seiner Politik-Version steht ("Either you are with us or you are with the terrorists!").

Wenn Sie zudem meinen, dass wachsende Vorurteile gegenüber Amerika "hierzulande außerordentlich verhärtet" seien, so diffamiert das die Kritik an der Bush-Regierung auf groteske Weise. 

Und wieder fragen Sie sich: "Woher kommt dieses Misstrauen? Immerhin haben die Amerikaner Deutschland von den Nazis befreit, die Wiedervereinigung aktiv unterstützt." 

Der 8. Mai 1945 taugt nicht als Argument für nationale Alleingänge und dürfte  wohl unbestreitbar insbesondere Friedensbewegten und Antifaschisten in seiner Bedeutung bewusst sein. Sie argumentieren falsch, Sie adressieren falsch.

Auch der Wiedervereinigung fehlt es an Zusammenhang mit dem Irak-Thema,  denn sie hat weit mehr mit Leipzig und friedlichem Widerstand zu tun als mit Herrn Bush (Junior). 

Wozu behaupten Sie "Misstrauen gegen Amerika?", wenn es doch nicht ansatzweise um nationalistisches Gegeneinander geht, sondern um die internationale Zusammenarbeit gegen Terrorismus und Krieg auf Basis gemeinsamen und allgemeinverbindlichen Völkerrechts anstelle von Selbstjustiz einzelner Staaten? 

Wenn Sie den Krieg verlangen oder für unumgänglich halten, dann sagen Sie das frei heraus, aber derlei Polemik wird der Friedensbewegung nicht gerecht, schadet der Sachlichkeit und übrigens auch dem deutsch-amerikanischen Verhältnis, wenn ohnehin bestehende Missverständnisse zusätzlich mit der Autorität Ihrer Stellungnahme vertieft werden. Dieser hohen Verantwortung sollte man auch dann genügen, wenn es in Einzelfragen andere Auffassungen gibt.

Zunächst könnten wir etwaige Kommunikations- bzw. Informationsdefiziten abhelfen,  wenn Sie als Beispiel den zentralen Aufruf zur Demonstration am 15. Februar in Berlin lesen.  

Einzig in einem Punkt ist Ihnen zuzustimmen, dass es im Vergleich zur heutigen Situation widersinnig war, wenn Schröder, Fischer samt Unions-Parteien bisherige Kriege ohne UN-Mandat mitmachten. Die berechtigte Kritik wird jedoch zum Unfug, wenn deshalb Fehler zu wiederholen wären. Stattdessen gehören Fehler  korrigiert, so viel davon geht.
 
Und selbst wenn sich der UN-Sicherheitsrat für einen Krieg aussprechen würde, so wäre die Nichtteilnahme an einem Krieg weit unproblematischer als die Kriegsteilnahme gegen eine UN-Entscheidung. Wenigstens das sollte nachvollziehbar sein. 

Solange jedoch der UN das Gewaltmonopol vorenthalten wird, obwohl es m.E. allein ihr zustehen  kann,  möge jeder frei entscheiden, sich in Gesellschaft von Schönbohm, Börner und anderen der Militärachse des Guten anzuschließen und Raketen auf Bagdad prasseln zu lassen, wenn nur gewährleistet bliebe, die vielen Kollateralschäden zu vermeiden. -  Auch für die politische Kultur.
  
Mit freundlichen Grüßen,
Markus Sebastian Rabanus

Redaktion INTERNET- JOURNAL              DISKUSSION

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Niemand will "Kriegstreiber" genannt werden,
aber Kriegstreiber ist, wer den Menschen den Krieg 
als unausweichlich hinstellt.

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