Warum wird jemand Rechtsextremist? 
veralteter Text aus 2000
Wer aus der extremistischen Szene "aussteigt",
muss zuvor "eingestiegen" sein.
Und wir werden oft gefragt, wie dort jemand
hinkommt. 
Die Antwort kann nach allem, was
        wir erfahren, leider nur lauten: 
Es gibt nicht den einen Weg in den Hass, sondern viele Faktoren, die den Irrweg wahrscheinlicher machen.
Wir werden die Faktoren benennen, aber wir tun dies zugleich in Gegenrede zu falschen Erklärungsschemata.
Viele Link geben folgende Antwort:
"Niemand wird als Faschist geboren, die kapitalistische Gesellschaft produziert faschistisches Bewusstsein."
Kommentar: 
        Richtig, niemand wird als Faschist geboren. Auch nicht als Dieb, auch
        nicht als Demokrat oder linker Revolutionär.  Die
        "kapitalistische Gesellschaft" scheint also eine ganze Menge
        von Politiktypen zu "produzieren", oft sogar vollkommen
        verschiedene Typen innerhalb einer Familie.
        
        Woran mag das liegen? Der Mensch ist eben nicht nur "Ensemble
        sozialer Einflüsse" bzw. "gesellschaftliches Produkt",
        sondern auch mit etwas eigenem Verstand beglückt, was sich zuweilen als
        Pech erweist, wenngleich das unsere linken Extremisten für die eigene
        Genesis nicht begreifen werden :-)) 
        
        Manche
        Linke theoretisieren weiter:
"Rechtsextremismus
        kann nicht individualpsychologisch erklärt werden und schon gar nicht
        aus irgendwelchen natürlichen Dispositionen der Leute; d.h. es gibt
        nicht so etwas wie ein natürliches Aggressionspotential oder eine
        angeborene Angst vor dem Fremden. Dumm wird man nicht geboren, dumm wird
        man gemacht; - das zählt auch für Nazis."  Quelle: 
        Antifa.de  mit weiterer
        KRITIK
        
        Wiederum wäre zutreffend, dass "individualpsychologische"
        Erklärungsschemata nicht hinreichend sind, aber ebenso wenig ist 
        der Gegenschluss zutreffend.  
        Solch undialektisches Binär-Denken kann der sozialen Individualität
        des Menschen nicht gerecht werden, sondern instrumentalisiert ein
        politisches Phänomen, dessen Bestandteile es auch in
        nichtkapitalistischen Epochen und Regionen gab/gibt durch Reduktion auf
        kapitalistische Systemverantwortlichkeit für außerhalb des Problems
        liegende Politikziele. 
        
        Überdies ist nicht substantiiert, dass der Mensch ohne
        "natürliches Aggressionspotential" und ohne
        "Fremdenangst" geboren würde. Vielmehr scheint es, dass
        solche Disposition sehr wohl "natürlich" sind und erst
        zivilisatorisch überwunden werden können, beispielsweise durch
        Gesetze, die den Aggressor kriminalisieren, beispielsweise durch
        multikulturelle Erfahrung, die das Fremdeln verringern kann, je nach
        dem, ob es sich um gute oder schlechte Erfahrungen handelt, wofür die
        Politik Mitverantwortung trägt in der heutigen Bundesrepublik
        Deutschland wie in der vergangenen DDR, die längst nicht
        "multikulturell" war.
Überdies wird der Mensch zuweilen "dumm geboren" und Eltern und Gesellschaft mögen ihm eine Menge beizubringen haben, was misslingen kann, manches unbewusst, manches systematisch, wie etwa in Wahlkämpfen, wenn Parteien auf Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit setzen. Das kann dann "dumm machen", aber bestätigt die zitierte Theorie doch wieder nur zum Teil, denn die Globalisierung wandelte auch mächtig die "Dispositionen des Kapitalismus", was offenbar noch nicht so recht von Linken verstanden ist, so viel sie sich auch damit befassen, aber die ERKENNTNIS kommt ihnen nicht, solange sie den Weg nicht gefunden haben, sie in ihr binäres Weltbild einzupassen.
Manche Linke theoretisieren weiter:
"wer nicht vom Kapitalismus reden will, soll vom Faschismus schweigen"
Kommentar: Wer
        über Faschismus nur deshalb reden will, um über den Kapitalismus zu
        sprechen, der sollte besser zum Faschismus schweigen.   So
        könnte man kontern, aber das wäre von ebensolcher Dusseligkeit wie
        linksextremistisches Sektiererdenken.  Man sollte sich die
        "wissenschaftlichen Analysen" unserer linken Erleuchter ruhig
        anschauen, so sehr wenig sie auch mit Wissenschaft und Analyse zu tun
        haben und über die Sammlung von Thesen selten hinauskommen.
        Für linksextremistische Analysen gilt nichts anderes als für
        rechtsextremistische und jede sonstige:
        
        1.  ideologisch motivierte Analysen suchen sich immerhin
        Anknüpfungspunkte in der Realität,
2. 
        ideologisch motivierte Analysen bleiben
        jedoch ihrem Hauptanliegen verpflichtet und die Klärung des
        thematisierten Problems wird der ideologischen 
        Auseinandersetzungen untergeordnet.  Schon dadurch verengt sich die
        Wahrnehmung und verkürzt sich analytisches Denken.  
        
        Wer versucht, die Mitverantwortung für gesellschaftliche Probleme
        dadurch zu bestreiten, dass  einzig dem politischen Gegner die
        Verantwortung zugeordnet wird, wie es bei den Systemkritikern aller
        Seiten zum gegenseitigen und zum staatskritischen Vorwurf genügt, sorgt
        sich zwar um das eigene Gewissen, aber  löst  an den
        Problemen nichts. 
Wer versucht, das
        Problem des Rechtsextremismus auf eine "individuelle
        Delinquenz" zu reduzieren, wie es das Anliegen vieler ist, bei
        denen die politische Macht im Lande liegt und die für ihr Versagen
        nicht haften mögen, drückt sich um die Mitverantwortung und um die
        erforderliche Politik.
        
        Schlussfolgerungen:
Die Wege in die
        rechtsextremistische Szene sind so verschieden wie die Menschen.
        
        Es gibt viele Faktoren, die solche Fehlentwicklungen fördern, aber
        keiner dieser Faktoren hätte die Fehlentwicklung zum zwangsläufigen
        Ergebnis. Nur in dieser Relativierung listen wir nachstehend einige
        solcher Faktoren auf, wobei die Nummerierung lediglich die Diskussion
        dazu erleichtern soll und keine Gewichtung darstellt:
1. wirtschaftliche
        und moralische Krisenhaftigkeit des Gesellschaftssystems, unabhängig
        von der politischen Ausrichtung links/rechts/bürgerlich; 
        insgesamt eine opportunistische auf bloße Macht- und Selbsterhaltung
        orientierende Politik, die nicht nur ganze Wirtschaftszweige von
        subjektiver Verantwortlichkeit, sondern den Menschen an sich von
        individueller Verantwortung "befreit" und damit zugleich in
        die Totalabhängigkeit zum Ganzen bringt.  
        Der Mensch wird zum Subventionsobjekt, zum Konsumenten, während seine
        schöpferischen Qualitäten zwar gewünscht und "gefördert"
        werden, sich nicht aber mehr als notwendig darstellen, solange das
        Subventionssystem noch funktioniert.  Aber die Vermutung seines
        Zusammenbruchs ist für viele so naheliegend, dass die Neigung wächst,
        drohende Konkurrenz und Sozialkonflikte zu antizipieren.
2. multikulturelle Negativ-Erfahrungen in Gebieten, in denen Integrationspolitik vernachlässigt und Überfremdungsängste als nichts existent bzw. unbegründet übergangen werden; Globalisierung mit Effekten für das bei vielen ohnehin gestörte Identitätsbewusstsein und mit Effekten bis hinein in die Lebensnahbereiche Kindergarten, Schule, Diskothek, Straße, Berufsleben, Arbeitsamt, Sozialamt. Kommunikationsbarrieren, kulturelle Fehlinterpretationen, kulturelle Inkompatibilitäten - alles Faktoren, die nur im Wege problemanerkennender Integrationspolitik überwindbar wären. Der bessere Begriff wäre "Multikulturpolitik", denn es kann nicht zum Erfolg führen, die Minderheiten den Mehrheiten anzupassen, sondern auch die Mehrheiten müssen sich öffnen, nicht nur Toleranz entwickeln, sondern kulturelle Bereicherung erfahren lernen bzw. können,
3. soziale Randständigkeit oder Verwahrlosung der Familie, personale Halt- und Perspektivlosigkeit,
4. Erziehungsfehler wie Gewalt, Lieblosigkeit, Vernachlässigung, die in Familien aller Schichten vorkommen kann; dazu ein Bildungssystem ohne Tiefgang und zurückgehendem Erziehungsanspruch seitens vieler Lehrkräfte,
5. Generationskonflikt in der heutigen Spezifik, dass die 68'er-Generation nicht links-intellektuell zu überholen ist
6. historischer Abstand zu den Tätern und Opfern faschistischer Verbrechen bei nahezu unveränderter Methode, die "Vergangenheit zu bewältigen" = "Mahnmal-Politik" mit Schuldkomplex-Effekten anstelle von Entwicklung eines Versöhnungsbewusstseins für politische Gegenwarts- und Zukunftsverantwortung,
7. Dialogunfähigkeit der Eltern- bzw. Entscheider-Generation, die sich mit Ausgrenzungsversuchen behilft oder ihre Untätigkeit kaschiert und dabei übersieht, dass in den geistig-politischen Sperrbezirken die extremistische Szene wartet und sich um die Ausgegrenzten "kümmert" .
So viele Faktoren hier gelistet sind, würden noch viele anzufügen sein, aber all diese Faktoren haben gegenwärtig gesamtgesellschaftlich noch sehr unspezifisches Gewicht. Einige Faktoren wirken in das Bewusstsein der breiten Massen, manifestieren sich dort in latenter Fremdenfeindlichkeit, in Freiheitsskeptizismus und latenter Demokratie-Kritik, die als Staatsverdrossenheit wahrnehmbar ist und sich durch das Fehlverhalten von Parteien (z.B. Spendenskandale, Politikabwesenheit) noch verstärkt. Der Glaubwürdigkeitsverlust herrschender Politik geht einher mit allgemeinen Argumentationsverlusten gegenüber radikalen Systemgegnern.
Trotzdem "funktioniert" das Ganze noch einigermaßen und der "Zusammenbruch", so sehr er von Systemgegnern herbei gewünscht wird, lässt sich noch nicht datieren.
Politisches Gesamtanliegen im Widerstreit zum Rechtsextremismus, aber auch zum Extremismus insgesamt wird sein, deutlich zu machen, dass es zwar sehr wohl darum gehen muss, Alternativen zu schlechter Politik zu entwickeln, dass aber Extremismus gleichbedeutend ist mit der Übertragung von Entrechtungs-Ideologien in das Leben der Gesellschaft, der Menschen und deshalb keine "Alternative" sein kann.