Selbstauflösungsrecht für den Bundestag?

BeitragVerfasst von Sven am: 24.12.2005, 18:53 Antworten mit Zitat 

Soll sich der Bundestag selbstauflösen dürfen?

Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier fordert ein grundgesetzliches Selbstauflösungsrecht für den Bundestag.

Ich halte solche Grundgesetzänderung für sinnvoll, denn der Umweg über die "Vertrauensfrage" ist m.E. eine verfassungswidrige Umgehung, wenn Abgeordnete dem Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen sollen, obwohl sie ihm eigentlich vertrauen.

Die zurückliegenden Geschehnisse haben nur deshalb und dann meine Zustimmung aus zwei Gründen, die einzeln nicht ausreichen würden, sondern zusammengehören, denn auf das fehlende Rechtsinstitut soll sich nur berufen können, wer es auch generell will:

1. weil kein Selbstauflösungsrecht in der Verfassung steht,

2. wenn nun nicht nochmals getrödelt wird und endlich die Verfassung geändert wird.

Dass manchen Leuten solche Dinge nur "Formalfragen" sind, lässt kaum erwarten, dass ihnen in anderen Dingen ernster mit der Wahrheit ist.

Die Diskussion muss sachlich geführt werden, denn sie ist recht kompliziert und wichtig:

Gegen ein bloß mehrheitliches Selbstauflösungsrecht spricht immerhin, dass sich die im Parlament ohnehin schon mit Mehrheit vertretene Partei bzw. Koalition den ihr günstigsten Zeitpunkt allein aussuchen kann.

Für die Demokratie sollte jedoch nichts anderes gelten als für jede andere seriöse Leistungsbilanz:
Nicht der allein vom Bilanzpflichtigen selbstgewählte Bilanzzeitpunkt gibt ein zuverlässiges Bild, denn er würde mit Momentaufnahmen (=Stimmungen) täuschen, sondern die gesetzlichen Fristen sollten die Regel bleiben und die Zwischenbilanz nur Zwischenbilanz.

Daraus folgt m.E.:

Wer die Selbstauflösung (="Zwischenbilanz") betreibt, soll durch die Neuwahl nur bis zum Ende der unterbrochenen Legislaturperiode regieren dürfen.

Diese Bedingung wäre mir weit wichtiger als die in der öffentlichen Debatte stehende Frage, ob es eine zur Selbstauflösung einer Zweidrittelmehrheit bedarf. Auch das ist zwar wichtig, aber nicht annähernd so wichtig wie die Bedingung, dass es nur um Restlegislaturperioden gehen sollte.

Schließlich sollte noch die dritte Bedingung sein, dass sich die Parteien nur für die turnusmäßigen Wahlen die Wahlkampfpauschalen einstecken dürfen, damit die vermehrte Wahlen, die durch Selbstauflösungsrechte entstehen, nicht zu Goldeseln für die Parteien verkommen.

Grüße von  Sven        >> Umfrage und DISKUSSION

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