Robert Katzenstein, Ehre seinem Andenken

Von seinem Tod erfuhr ich erst jetzt über Wikipedia. 

Robert Katzenstein lernte ich zu Beginn der achtziger Jahre auf Schulungsveranstaltungen der "Sozialistischen Einheitspartei Westberlin" (SEW) kennen. Er unterrichtete politische Ökonomie, u.a. das "Kapital" von Karl Marx.

Begebenheit: Ich hatte Sympathisanten unseres Studentenverbandes "Aktionsgemeinschaft von Demokraten und Sozialisten" (ADS) zu einer Katzenstein-Veranstaltung eingeladen. Nach dem Vortrag kam die Diskussion, in der Robert Katzenstein sagte, die Bestie im Menschen sei Realität. - Das passte nicht in mein positives Menschenbild, schien den religiösen Schuld-Predigten zu nahe. Schnell erklärte ich meinen Kommilitonen, dass Katzensteins Äußerung auf dem Hintergrund seiner persönlichen NS-Betroffenheit gesehen werden müsse.

Wenige Wochen später, in der Nacht zum Ostersonntag 1983, traten mir Nazis die Rolläden ein und wollten unsere Wohnung stürmen. Mir war nur bange um meine Frau - und als diese Faschos aufgaben, war ich sofort hinterher, was wenig scharfsinnig war, denn zwar flohen sie erst, blieben dann aber stehen und griffen an, sowie ich sie erreichte. Nun jagten sie mich, waren wie eine Meute wildernder Hunde mit hass-kalten Augen, leeren Gesichtern, die "Bestie im Menschen". Doch jeder Einzelne zu feige für den Zugriff, denn wenigstens der wäre ins Blut mitgenommen.

Wieder Wochen später fing ich mir einen. Er heulte, heulte und heulte. Würdelos. - Den ließ ich für den Schaden bezahlen, aber strafrechtlich laufen mit dem Gebot, dass er die "Bestie in sich" überwindet. Robert Katzenstein hatte recht. Und Nazis hatten es nun auch mir bewiesen. 

Wo liegst Du begraben. Ich werde Dich finden und Blumen legen. -Sven-2009 zum Forum


Robert Katzenstein (* 19. Februar 1928 in Berlin; † 30. Juni 2006 ebenda) war ein marxistischer habilitierter Wirtschaftswissenschaftler, der in Berlin lebte. Seine größte wissenschaftliche Leistung war, dass er als erster den Zusammenhang der Entwicklung des heutigen Kapitalismus und hoher Arbeitslosigkeit wissenschaftlich untersuchte und erklärte, dass sich trotz Wachstum keineswegs Arbeitslosigkeit senkt.

Katzenstein stammte aus einer jüdischen bürgerlichen Familie. Sein Vater wurde im KZ Auschwitz ermordet und seine Mutter versteckte sich in Berlin. Katzenstein hatte eine Knochenkrankheit, sodass er sich lange Jahre lediglich mit Krücken bewegen konnte. Er lebte als Verfolgter des Naziregimes von 1942 bis 1945 im Untergrund und da er an dieser Krankheit erkrankte, war seinerzeit an eine medizinische Behandlung nicht zu denken. Als er von der Roten Armee aus einem Lager in Schlesien befreit wurde, musste er danach jahrelang behandelt werden. Als er wieder auf Krücken laufen konnte, holte er seine Ausbildung nach und qualifizierte sich zum Dr. oek. habil.. Er arbeitete an der Akademie der Wissenschaften der DDR in Ostberlin bis 1970, obwohl er in Westberlin lebte.

Werk

Katzenstein beteiligte sich an der Stamokap-Debatte, die sich sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands, vor allem auch in Westberlin, entwickelte und untersuchte vor allem die Bewegung des fixen Kapitals und studierte die konkreten Investitionsabläufe vor allem der Stahlindustrie. Dabei kam er zu dem Schluss, dass es früher vor allem um die Einsparung von Arbeitskräften ging, und dass im heutigen Kapitalismus vor allem die Bewegung und Entwicklung des fixen Kapitals vor größter Bedeutung ist. Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit standen lebenslang die Wirkungen des technischen Fortschritts. Zahlreiche seiner Veröffentlichungen beschäftigen sich mit dieser Frage.

In den 1970er Jahren beschäftigte die Stamokap-Theorie Wirtschaftswissenschaftler und politische interessierte Kreise in beiden deutschen Staaten. Diese Theorie fand auch Befürworter in der SPD. Robert Katzenstein trat gegen die Vereinfachung dieser Theorie an, insbesondere gegen die These von der Unterordnung des Staates durch die Monopole, die er als eine unzulässige Vereinfachung kritisierte, dass der kapitalistische Staat von den Monopolen benützt würde, um ihnen Höchstprofite zu sichern. Er vertrat die Auffassung, dass der Staat die Voraussetzungen zur Produktivkraftentwicklung des Kapitalismus schaffe und staatliche Gelder in Infrastrukturmaßnahmen wie zum Beispiel Straßen- und Hafenanlagenbau leiste. Damit geriet in Widerspruch zu herrschenden Lehrmeinung in der DDR.

Die Kapitalismusdebatte stagnierte Ende der 1970er Jahre und Katzenstein wandte sich den Debatten zum Euro-Kommunismus in Italien, Frankreich und Spanien zu. Er vertrat die These, das es unterschiedliche Wege zum Sozialismus gibt und diskutierte diese Frage vor allem in der von ihm gegründeten Zeitschrift Sopo, Sozialistische Politik.

Politik

Katzensteins Leben war politisch, dennoch folgte er keinem politischen Schema. Er war bei linken und marxistischen Wissenschaftler durchaus bekannt. Als er in Westberlin wohnte, war er aktives Mitglied der Sozialistische Einheitspartei Westberlins. Trotz hoher Qualifikation hatte er bei Bewerbungen um feste Anstellungen an Hochschulen wegen seines Bekanntheitsgrads als marxistischer Wissenschaftler keine Chance. In den 1970er Jahren hatte er Lehraufträge über politische Ökonomie am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und er führte Schulungen zur politischen Ökonomie durch.

Schriften

Quelle und mehr >> http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Katzenstein  20090509

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