Zur Putin-Rede auf der Münchner Konferenz

Ich fand soeben die Putin-Rede von der Münchner Konferenz
>> http://www.jungewelt.de/2007/02-14/012.php

Die Rede ist in vielem gescheit und beachtenswert.

Putin kritisiert als "Unipolares Weltmodell" ein antiquiertes Dominanzstreben, wie es in der US-Politik übrig geblieben sei als keine moralisch annehmbare Perspektive und obendrein illusorisch, da es auch die USA politisch, wirtschaftlich, militärisch überfordere.

Putins Absage an das "Unipolare Weltmodell" ist dem Wesen nach nur eine neue Metapher zwecks Überwindung der Terminologie des Ost-West-Konflikts, in den er nicht zurückfallen möchte, aber dennoch von "US-Imperialismus" reden sollte, wenn er das seine Meinung ist und die Problematik verwechslungsfreier trifft, denn als Alternative zu den beklagten Zuständen mahnt Putin die alleinige Entscheidungsmacht der Vereinten Nationen an, auf die der Begriff "Unipolares Weltmodell" eher assoziiert würde und positiver.

Für diese Interpretation der Putin-Rede spricht, dass er europäische Bestrebungen kritisierte, die US-Politik stärker durch die NATO einzubinden und damit in Konkurrenz zur UNO zu treten.

Mit diesen Äußerungen vertritt Putin dann doch ein weltweites Gewaltmonopol auf der Grundlage eines allgemeinen und demokratischen Völkerrechts, für das er eindringlich wirbt: "Weil niemand sich auf das internationale Recht wie auf eine Schutzmauer verlassen kann. Eine solche Politik ist natürlich Katalysator eines Wettrüstens. Die Dominanz des Gewaltfaktors ermutigt unvermeidlich eine Reihe von Ländern zur Anschaffung von Massenvernichtungswaffen."

Nicht "ermutigt", sondern "provoziert" müsste es heißen, aber ist vielleicht nur ein Übersetzungsproblem.

Putin beklagt ferner, dass die positiven Erfahrungen mit der friedlichen Umgestaltung zu demokratischeren Verhältnissen, z.B. in den ehemaligen Ostblock-Staaten nicht deutlicher und vertrauensvoller auf die politischen Betrachtung und Konzepte auswirken, obwohl die Erfahrungen mit Drohgebärden und Gewaltanmaßung nicht nur keines der gesteckten Ziele erreichte, sondern neue Probleme geschaffen hat.

Putin kritisiert die Ausdehnung der Ost-Ausdehnung der NATO als solche nicht mehr, doch aber die Ostwärts-Verlagerung von US-Stützpunkten, was den amerikanisch-russischen Beziehungen nicht förderlich sein könne.

Putin kritisiert das Stocken konventioneller Rüstungskontrolle, die Militarisierung des Weltalls unter dem Vorwand eines Schutzschild-Erfordernisses, mangelnde Transparenz in Durchführung der mit den USA verabredeten Atomwaffenreduzierung, aber für restlose Atomwaffenabschaffung plädiert Putin nicht, obgleich er sich der Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages berühmt, aber dessen Art.6 scheinbar keine Bedeutung beimisst.

Interessanter dann schon, wenn Putin kritisiert, dass es keine Universalisierung des zwischen den USA und Russland vereinbarten Mittelstreckenraketen-Verbots kam, was sich in den Kontroversen mit Nordkorea, Indien, Pakistan, Israel und dem Iran räche.

Putin kritisierte noch die OSZE, die ihren dialogischen Zweck verfehle, wenn sie sich zu intensiv einmischen wolle, Putin kritisierte die NGOs, die er von anderen Staaten instrumentalisiert und gesteuert sieht.

Schließlich kritisiert Putin, dass er bzw. Russland so viel kritisiert werde:-)

Naja, auch mir ist Putin und Russland kein Favorit, aber andererseits lernte ich die Sowjetunion in ihrem Innern kennen, in ihrem Streben nach Vorherrschaft, dann in ihrem Streben nach Wandel, samt den Verwerfungen durch enorme Erwartungen und Widerstände. Das macht mir Russland und Putin in vielem "plausibler", weil alle Politik schwierig ist und oft niemand sichtbar, der es besser machen würde.

Es ergeht mir mit Russland nicht anders als mit Israel oder den USA, nicht anders als mit dem Iran, der Türkei, China, Syrien, den Palästinensern und letztlich auch mit der Bundesrepublik Deutschland: Ich habe Verständnis für die Politik, die ich so sehr kritisiere. Aber das müsste verstärkt auch das Verständnis in vielen Konflikten sein, also in den Köpfen der Streitparteien - solange der UNO der Anspruch verweigert wird, die Streitigkeiten überparteilich zu entscheiden.

Grüße von Sven20070303   >> Beitrag

Putin   Dialog-Lexikon