Nordkoreas Atomwaffen-Protzeritis

Pjöngjangs Diktator präsentierte am 10.10.2020 auf der Militärparade zum 75-jährigen Jubiläum seiner "Arbeiterpartei" wieder neue Interkontinental-Atomraketen, die von 9 auf 11-Achsen verlängerten LKW gestartet werden können. Es wird auf Mehrfachsprengköpfe spekuliert. - Ein glückseliger Kim Jong-un und diktatorentypisch gefeiert von aufmarschierten Massen.

Nordkorea kann sich nicht rausreden, dass die Atomwaffen gegen eine US-Invasion gebraucht würden, zumal seit Jahrzehnten mit Mächten wie Russland und China im Bunde - ohne eigene Atomwaffen auskommend - und riskiert eher die eigene Existenz, wenn der US-Bevölkerung der Eindruck solcher Angreifbarkeit entsteht.

Der Diktator weiß die Narrenfreiheit zu nutzen, die sich aus den globalen Rivalitäten der Großmächte ergeben: Russland und insbesondere China halten Kim Jong-un von weitergehenden Sanktionen frei, um die USA mit diesem Menschheitsverbrecher unter Druck zu setzen. - Es ist ein Spiel mit dem Feuer, weder Peking noch Moskau verzeihlich und blöde, denn sie riskieren mit Nordkoreas Aufrüstung selbstgefährdende Kontrollverluste.

Aber auch die USA versäumen Gebote und Chancen, diese Rivalität zu entschärfen und vertiefen durch Handelskrieg (z.B. gegen Northstream2) die Gräben. Obendrein die Kündigung von Abrüstungsverträgen und Russland den Weltmachtstatus zugunsten der US-Dominanz zu verkürzen, bringt keine Entspannung und riskiert den Weltfrieden. Unsere Bundesregierung spielt mit - und von der Opposition kommt allenfalls seitens der Linkspartei Gegenrede, jedoch ungeeignet, insoweit sie sich bloß gegen die Nato ins Zeug legt.

Auf die UNO, wie sie seit Jahrzehnten in großer Mehrheit die Atomwaffen nahezu alljährlich zu verbannen fordert, wird in unseren Allianzen und in anderen Atomwaffen-Hauptstädten nicht gehört, obgleich vorrangig ihnen gegenseitige Vernichtung droht. - Im Gegenteil werden Staaten, die dem Atomwaffenverbotsvertrag vom 7.7.2017 beitreten, Sanktionen in Aussicht gestellt.

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Dass Atomwaffen den Frieden sichern, ist beharrlicher und schlimmster Irrtum überhaupt, zumal Gefahren und Völkerrecht ausblendend - und obendrein unhistorisch argumentiert, als sei einem Land der Atomwaffenbesitz in den Schoß gefallen.

Wäre überlegt, welche Umstände dazu führten, dass ein Land Atomwaffen erlangte, so wäre man auf richtiger Spur. Und zwar jede Atomwaffenmacht betreffend speziell. Im Falle Nordkoreas:
Dass sich Washington seit Jahrzehnten mit Militärmanövern und Wirtschaftssanktionen gegenüber Pjöngjang begnügt,
- hat Grund in westlichen Erfahrungen mit dem Korea- und Vietnamkrieg,
- dass man sich auf den Schlachtfeldern zugleich mit Peking und Moskau konfrontiert sah,
- und sich weltweit gegen diese barbarischen Kriege empört wurde, denn sonst wären womöglich auch Atomwaffen eingesetzt worden, denn solche Forderungen gab es und auch als Planspiele in Regierungskreisen, wenngleich dementiert.

Zur allgemeineren Problematik der atomaren Abschreckung an sich >> http://inidia.de/abschreckungsdoktrin.htm 

Markus S. Rabanus   2020-10-15 


@Philipp S.,

1. Dein Nordkorea-Irak-Vergleich ist falsch, denn so wird es sich zwar auch KimBumms erhoffen, aber die Amis haben jahrzehntelang bewiesen, dass sie Nordkorea trotz schlimmster Feindschaft nicht angreifen, obgleich Nordkorea keine Atomwaffen hatte und permanent mindestens Südkorea mit heißem Krieg drohte.

Nordkorea war aus anderen Gründen sicher:

a) weil mit China (und Russland) im Bunde - und das ist zugleich der eigentliche Grund, warum die USA zuschauen (musste), wie Nordkorea mit jahrelang scheiternden Tests schließlich zur Atommacht wurde.

b) weil viele glaubten, Nordkorea werde am Systemvergleich mit Südkorea scheitern,

c) Die USA waren nicht scharf auf ein "weiteres Korea", denn der Korea-Krieg war zwar kürzer als Kriege und wurde nicht wie Vietnam zur vollständigen Niederlage, aber es war für die USA der verlustreichste Krieg seit dem 2. Weltkrieg.

Wie auch Russland kein zweites Mal in Afghanistan einmarschieren würde und sich viele Russen wunderten und interessiert zusahen, dass es sich die USA zutrauten.

2. Dass Atomwaffenbesitz abschrecken kann, ist meinerseits überhaupt nicht bestritten, aber die Abschreckung verliert an Verlässlichkeit, wenn bspw. ein diktatorisches Regime kollabiert, die Machtverlierenden keine Aussicht auf Überleben haben, die Knöpfe drücken, um möglichst noch viele mitzunehmen.

Einem Hitler hätte ich es zugetraut - und viele Polen, viele Deutsche usw. hielten/halten auf bspw. BinLaden, Saddam Hussein, Gaddafi, Assad, KimBumms und Putin charakterlich kaum bessere Stücke als auf den Hitler.
Wo bliebe solchen Strolchen der Abschreckungseffekt, wenn sie so oder so untergehen?

Und ich traue auch verpeilten Mullahs zu, falls sie in Pakistan an die Macht kommen oder im Iran an Atomwaffen gelangen, dass ihnen an Abschreckung weniger ist, je geringer die Wertschätzung für irdisches Leben und falls sie glauben, schneller ins Paradies zu müssen, wo ihnen das wahrhaft schöne Leben beginne.
Kurzum: Die Abschreckung funktioniert, aber nicht bei allen

3. Die atomare Abschreckung beruht auf gegenseitiger Vernichtungsdrohung.
In gespannten Zeiten, wie Mauerbau und Kubakrise besonders spannend waren, war man zumindest in Kuba 1962 ziemlich dicht dran, schreiben die Schulbücher, aber es war viel schlimmer, denn erst im Jahr 2002 wurde öffentlich, dass sich ein sowjetischer U-Boot-Kommandant im Atomkrieg glaubte, den Befehl zum Gegenschlag gab, der nur daran scheiterte, dass einer der beiden vetoberechtigten Offiziere (Wassili Alexandrowitsch Archipow) zum Retter der Menschheit wurde, indem er Veto einlegte.

Ein Retter der Menschheit. - Ist dir das klar?

Der Vorfall wurde 40 Jahre verschwiegen und wurde zum 40.Jahrestag der Kubakrise auch nur deshalb öffentlich, weil noch geglaubt, es werde nie wieder zu schlimmerer Feindschaft zwischen den atomaren Supermächten kommen.

Und warum überhaupt verschwiegen?: Weil Kontrollverlust das Schlimmste ist, was mit Atomwaffen passieren kann.
Und mindestens einen weiterer Vorfall dieser Dimension gab es.
Verhindert durch Stanislaw J. Petrow,
Jahrzehnte später bekannt geworden und geehrt von den Vereinten Nationen.

Kurzum: Auch wenn die Abschreckung in allen erdenklichen Fällen funktionieren würde, so wäre sie dennoch nicht genial, weil Technik und Menschen versagen und uns die Welt in Luft jagen.
Ich kann da nahezu endlos weitere Anti-Atomwaffenargumente vorbringen, aber vielen Leuten wird keines davon genügen, >>weil-wir-noch-leben<< - Stimmt, aber paradox, denn logisch und falsch

Und ich nehme es wirklich niemandem übel, wenn jemand das anders sieht, denn warum sollte man mir glauben, wenn schon keinem Kissinger, keinem Einstein usw., sondern der meinerseits geschätzten Frau Merkel, die es allerdings auch erst wieder kapieren würde, wenn zu spät ist, aber auch solch' vornehmer Gesellschaft wie Putin und KimBumms.

Markus S. Rabanus   2021-05-28 

  

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