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Berlin künftig ohne Kopftuch?

Das Bundesverfassungsgericht gab am 24. September 2003 der Klage der Lehrerin Fereshta Ludin statt, im Schuldienst ein Kopftuch tragen zu dürfen, da es an entgegenstehenden Gesetzesregelungen fehlt. - Richtig. Wieder versuchte sich die Politik um Arbeit und Entscheidungen zu drücken und delegiert originär politische Verantwortung auf die Gerichte und Exekutive.

Nun sollen also Gesetze her und die Politiker müssen ihre Zielgruppen-Wortgeschwalle so ausfiltern, dass daraus  allgemeinverbindliche, klare und eindeutige Texte werden, die gerichtlicher Nachprüfung standhalten. Dazu könnte es einigen an Übung fehlen, den meisten an Verstand.

Immerhin wissen schon welche ganz genau, was sie wollen und Springers Gazetten titeln, als seien es bereits Realitäten: "Berlin: Kopftuchverbot im gesamten öffentlichen Dienst", verspricht die "Berliner Morgenpost" immer bemüht, der Zeit ein bisschen voraus zu sein, wenn es rückwärts geht, aber solch selektives Attribut-Verbot dürfte es zur Verwirklichung des Grundgesetzes nicht geben, dessen Artikel 3 jede Benachteiligung wegen eines religiösen Bekenntnisses verbietet.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), bislang in der bundesdeutschen Öffentlichkeit eher ein Underdog, versucht sich als Spitze der Bewegung gegen Al Kaida-PLO-und-Hussein. Seine Gesetzesidee lautet, das Kopftuchverbot für Berlins Lehrer auf alle Landesbediensteten auszudehnen. 

Leiter der Baubehörde

Für Christenkreuze und Davidsterne sieht er keinen Handlungsbedarf, womit er insoweit recht hat, als dass christlicher Extremismus seit den Kreuzzügen zumindest nicht mehr extremistisch auffällig ist, von einigen Dogmen abgesehen, die uns jüngst in Sachen sexueller Toleranz vom Vatikan zu Ohren kamen, worin man sich allerdings im Kölner Dom und orthodoxen Judentum mit so manchem Islamisten und Unionsabgeordneten einig ist. - Trotz Ole.


Lehrer-Konferenz an der Abendland-Gesamtschule in Berlin Mitte (gestelltes Foto)

Was wäre richtig? Die Kopftücher, die Kreuze, Davidsterne müssen wie Parteiabzeichen weg aus dem öffentlichen Dienst - und die  Leute können bleiben, wenn sie keine bösen Dinge tun. Denn der Staat soll weltanschaulich neutral sein und das durch seine Bediensteten auch zeigen. 

Ich hätte keine Lust, mit Kopftuch auf Ämtern zu erscheinen, weil man mich dann mehr mag als ohne Kreuz und Davidstern wie auch umgekehrt. Natürlich könnte ich all die Dinge übersehen, aber bin ich dann als Bürger so "gleich" gesehen, wie andere Antragsteller, wenn sich bei denen die passenden Zeichen gegenüberstehen?  Man könnte mir trotz der klaren Zeichen die Neutralität versichern, ich könnte es dann glauben, denn darin bin ich frei, aber ich bezahle den Staat nicht dafür, dass ich jedem seiner Diener glaube, sondern mich so weit wie möglich darauf verlassen kann. Und da stören die Bekennerzeichen, denn so blind sind die Menschen nicht, wie sie sein sollen, wenn sie Zeichen sehen.

Um es klar zu sagen: Tragt Eure Götter und Parteiprogramme in den Herzen! Ihr Christen, Juden und Muslime könnt sogar mit mir beten, wenn Euch danach ist. Aber in den Ämtern und als Abzeichen des Staates taugt ausschließlich Neutralität.

Und was auch zählt in dieser Diskussion:  Das Kopftuch ist im Islam ein Zeichen und ein Mittel der Nichtgleichberechtigung, der Unterdrückung der Frau (durch den Mann und NICHT durch die Religion, so sehr sie sich auch auf die Religion berufen).

Letztlich hilft jedoch auch meine Meinung nicht, denn wo endet sie, die Kleider- und die Zeichenordnung? Bei der kunstgemähten Glatze, bei den Löckchen an den Ohren oder dem fundamentalistischen Thierse-Bart? Und Körpersprache kann ebenfalls parteilich sein: die Faust, der steife Arm, der forsche Schritt und gekreuzte Finger in den Hosentaschen. Nun, ich kann nicht für alles Gesetzeswege zeigen - und auch dafür wird die Politik bezahlt.

Vielleicht haben wir doch eher ein paar wichtigere Probleme und sollten an diesem Kopftuch-Thema gelassen, ernst und heiter, aber bedächtig unsere Arbeit tun.

Wenn man sich allerdings gar nicht einigen kann und die Sache zu vielen Leuten doch "so wichtig" ist, falls man dienstrechtlich nicht zur "Mäßigung" anhalten kann, die keinen benachteiligt, dann sollten die Staatsdiener Uniformen tragen.
    

Markus S. Rabanus  26.September 2003    
Unsere >> Diskussion  wurde leider gehackt
weitere Kopftuch-Debatten  
>>  Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts v. 27.01.2015
Kopftuchverbot? Nein Danke.  

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