Dialog der Religionen

Realität ist das Nebeneinander der Religionen. Oft ein eifersüchtiges Nebeneinander, oft in Geschichte und Gegenwart ein zerstrittenes Nebeneinander, obwohl jede Religion mit Ausnahme ihrer streitsüchtigsten Eiferer für sich in Anspruch nimmt, tolerant gegen andere und friedlich zu sein. Aber wenn nicht gelernt wird, dass und auf welche Weise auch die Andersreligiösen zu Toleranz und Frieden glaubensverpflichtet sind, dann überwindet sich nicht die Anmaßung gegeneinander.
Im Dialog der Religionen soll sich die eigene Kompetenz erweisen und die Kompetenz der anderen zur Kenntnis nehmen, denn das Bewusstsein bloß eigener Kompetenz genügt nicht zur Entwicklung eines belastungsfähigen und gemeinsamen Wertefundaments. 

Warten auf die religiösen Führer? Darauf darf sich niemand verlassen, denn die Versuchung der Führer ist einfach zu groß, dass sie im Wettbewerb der Religionen die Andersgläubigkeit herabsetzen. Also frage sich jeder selbst: "Was habe ich bislang geleistet?" Markus Rabanus - 200905


Kommentar zum päpstlichen Dialogangebot 
20.04.2005

In seiner ersten Messe sicherte heute der neue Papst Benedikt XVI. zu, dass er mit Vertretern anderer Glaubensrichtungen in einen "offenen und ernsthaften Dialog" eintreten werde. Das ist gut, denn so haben wir Anknüpfungspunkte. Aber ich hätte die Predigt gern im Wortlaut, denn es kommt schon genau auf den Inhalt an, weil wir wissen, dass Dialog und Dialog nicht nur zweierlei ist, sondern mehr und Gegenteil, ...

"Mit Vertretern anderer Glaubensrichtungen" ist richtig, aber wichtig ist auch, dass der Dialog eine Basis hat in der Basis, also bei den Gläubigen weltweit und für einander.

Wichtig ist, was den Inhalt betrifft, dass die Fundamente ungeteilt anerkennt, auf denen die Menschheit steht und sich bewegt, dass also Frieden das höchste GEMEINSAME Gebot ist, um überhaupt zu bestehen und die Religionen vor dem Glaubensmissbrauch zu befreien.

Das wäre "Befreiungstheologie" in neuem Sinne und zwar verlangt von jeder Religion, also nicht mehr die Gewalt mit Rechtfertigungsgründen zu bedienen, denn die Welt ist da und längst in der Lage, die Verbrecher genügend zu binden, wenn wir nur darauf bestünden, dass unsere frei Gewählten das gemeinsame Recht und die Mittel dafür suchen und finden.

Ich hätte auch gern die Stellungnahme des israelischen Außenministers zur Papst-Wahl im Wortlaut, ... : So wurde zwar berichtet, dass er hoffe, der neue Papst werde energisch gegen den Antisemitismus sein, aber solches Anliegen genügt nicht zum Frieden, wenn die Parteinahme nicht allen gilt, also auch den Muslimen.

Das "NEUE" wäre, dass gemeinsame Anliegen - und Frieden geht nicht anders - in ein Wort zusammengehören, wenn es sich bessern soll.

Wer in Nahost den Frieden will, der muss rufen:
"Wir wollen den Frieden mit Juden, mit Israelis!"

Und umgekehrt:
"Wir wollen den Frieden mit Muslimen, mit Palästinensern!"

Wer Jude ist und den Antisemitismus von Christen beklagt, der soll rufen:
"Wir wollen Frieden mit den Christen!"

Wer Christ ist und irgendwen sonst beklagt, soll rufen:
"Ich will unseren gemeinsamen Frieden!" und sich entsprechend verhalten.

Aber wer da beklagt, droht und wem sonst nichts einfällt, der will nur sich selbst dienen und nicht dem Frieden, der nur gemeinsam ist.

Das wäre die "Botschaft":-) Wer sie ausspricht, gerät schnell in den Ruch der Anmaßung, aber nur deshalb, weil das Selbstverständliche darin all jene mächtigen Kreise brüskiert, die es fortlaufend verletzen, denen die Verletzung der anderen zu wenig zählt.

Wir wollen gespannt sein, womit der neue Papst den DIALOG füllen will. Aber wir wollen eben auch gespannt sein, was die Vertreter anderer Religionen auf diesem Felde treiben, denn alle stehen in gegenseitiger Pflicht.

Grüße von Sven 20050420  >>
gehacktes Forum

ps: ich schwäche mein Posting in zwei Punkten ab, denn die "Ruferei" hilft schon meist in Krawallen nicht und im Dialog wäre sie vollends deplatziert. Also "reden" soll es heißen. Und in Ruhe. Dann schrieb ich noch zweimal: "Wir wollen gespannt sein, ..." :-) Aber "Aufmerksamkeit" ist meist die bessere Wahl.


Hallo Sven,

für einen durch und durch politischen Kopf, wie du ihn trägst, ist es wohl naheliegend, vor allem politische Erwartungen an ein Pontifikat zu richten. Aber ich denke bei aller berechtigten Hoffnung - und die Geschichte von Solidarnosc hat ja gezeigt, welches politische Potential Religion entfalten kann - sollte man nicht vergessen, dass die Kernkompetenz im Selbstverständnis der Katholischen Kirche nun einmal in der Organisation des christlichen, bzw. katholischen Glauben liegt. In der Auseinandersetzung des Vatikans mit der Befreiungstheologie, die ja von Kardinal Ratzinger federführend geprägt wurde, war genau das die Leitlinie: den Glauben selbst von den Ansprüchen, der Instrumentalisierung und Kontamination durch die Politik frei zu halten.

Johannes Paul II. soll von Ratzinger einmal gesagt haben, er sei ein 'Meister des christlichen Glaubens' - gerade so als wäre der Glaube ein Sport oder ein Handwerk. Und doch trifft der Satz. Wer jemals ein Buch von ihm gelesen oder ihn nur hat sprechen hören, kennt seinen Scharfsinn und die theologische Finesse, mit der er jenseits aller Volksfrömmigkeit den Glauben intellektualisiert. Meine Sympathie für Ratzinger hängt damit zusammen, dass ich Denkernaturen immer spannender finde als Charismatiker, wie Karol Wojtyla einer gewesen ist.

Die katholische Kirche steht in einem paradoxen Spannungsfeld: Einerseits schreitet die Entchristianisierung Europas unaufhaltsam fort, andererseits gibt es auch eine 'Wiederkehr der Religionen', sei es in Form diffuser Religiosität, sei es in Form des Bewusstseins für die Präsenz (ehemals) religiöser Kategorien in der Gegenwart. Trotz allen Eurozentrismus' der Kirche ist Europa beinahe schon wieder Missionsgebiet. Zugleich stellen sich zahlreiche Dinge, die in Endlosschleife in Europa (und besonders Deutschland) am Katholizismus kritisiert werden, in globaler Perspektive als marginal dar. Die Ungleichzeitigkeiten globaler gesellschaftlicher und ökonomischer Entwicklungen führen dazu, dass die Kirche auf anderen Kontinenten völlig anders wahrgenommen wird als im spätzeitlichen Europa. Wenn auch alle Spekulationen über den Kurs des Pontifikats Benedikts XVI. fragwürdig sind - vielleicht eröffnet auch gerade ein als reaktionär geltender Papst Reformchancen - so wird wohl dem Auseinanderdriften der Weltkirche ein Hauptaugenmerk gelten.

Nun funktioniert Identitätsstiftung im Wesentlichen über Abgrenzung. Es läge in der Kontinuität Ratzingers als Präfekt der Glaubenskongregation, wenn die Profilierung des Katholizismus durch Betonung von Unterschieden und seine Konsolidierung durch Vertiefung von dogmatischen Fragen weiter fortgesetzt würde. Auch und gerade gegen (europäischen) Zeitgeist und gegen die Ansprüche der Moderne mitsamt ihrem permanenten Veränderungsdruck. Erzkonservativität und Bewahrung beschreiben dasselbe aus unterschiedlichen Perspektiven. Und da die Attraktivität religiöser Lebensentwürfe ohnehin dahinschmilzt, erscheinen auch Rücksichtnahmen weniger wichtig.

Die Fundamentalkritik und die schlechte Presse für Ratzinger scheinen mir irgendwie ein sehr deutsches Phänomen zu sein - teils hat sich hier etwas verselbständigt, ähnlich wie beim angesagten Bush-Bashing, teils werden durch Medienfilterung hochkomplexe dogmatische Texte auf zwei, drei Kernsätze abgeschmolzen. Dass hinterher die Kirchenkritik auf erbärmlichem Niveau stagniert, ist dann kaum verwunderlich.

martin 21.04.2005 14:34    


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